Eine Sache der Interpretation

In den letzten Jahren meiner beruflichen und privaten Laufbahn habe ich Bekanntschaft mit diversen Interpretationen machen können. Insbesondere in den letzten Wochen ist mir immer mehr aufgefallen, dass viele Menschen Texte, welche eigentlich selten Interpretationsspielraum beinhalten, gerne nach ihren eigenen Wünschen umstellen oder gänzlich aus dem Kontext ziehen.
Gerade in Berufen wie meinem, wo firmenübergreifend nicht telefoniert, sondern nur geschrieben wird, ist eine bedachte Wortwahl das A und O der Kommunikation. Doch selbst wenn die Worte gut gewählt und nicht im Affekt vom Stapel gelassen werden, gibt es immer jemanden, der Dinge missversteht. Ich möchte dies anhand eines Beispiels veranschaulichen:
„Ich möchte dich jetzt nicht um mich haben.“
In meinen Augen ein klarer Satz, der mir mitteilt, dass die Person mich jetzt nicht sehen möchte. Ich vermute, dass es ihr einfach nicht gut geht und belasse es dabei. Doch nun kommt ein Satz bei zehn Menschen an und es gibt fast immer einen, der diesen Satz auf seine eigene Weise interpretiert. Statt das oben stehende zu lesen, interpretiert er den Satz wie folgt:
„Ich will dich nie wieder sehen. Du tust mir nicht gut und ich möchte das nicht mehr.“
Glaub mir. So weit hergeholt ist das Beispiel auch gar nicht. Ich habe sowohl im Beruf als auch privat schon ähnliche Dinge erlebt.
Wann haben die Menschen verlernt, Dinge so zu lesen, wie sie geschrieben wurden? Es ist mir ehrlich gesagt schwer begreiflich, warum so viel in etwas hineininterpretiert wird, was eigentlich klaren Kontext besitzt.
Gerade seit ich mich ein wenig unter den Indie-Autoren tummle, habe ich festgestellt, dass dies scheinbar Gang und Gebe geworden ist. Ein Autor hatte zum Beispiel mal geschrieben, dass er aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen einige Wochen nicht schreiben wird. Für mich ist das klar wie Kloßbrühe. Für die Kommentatoren nicht.
„Du kannst nicht aufhören zu schreiben. Du bist so talentiert.“
„Warum tust Du mir das an? Erst Geld kassieren und dann nicht mehr schreiben und ein offenes Ende zurücklassen?“
Dies waren jetzt nacherzählte Eindrücke und keine Zitate. Aber so in etwa ist dies abgelaufen und in dem Moment tat es mir um den Autoren Leid, der nur seine Leser informieren wollte. Dabei hatte er kein Wort darüber verloren, dass er mit dem Schreiben aufhört. Er musste sich nur eine Pause nehmen. Nicht mehr und nicht weniger.
Und genau das ist das aktuelle Problem bei uns dummen Menschen. Wir interpretieren überall das hinein, was wir gerne gelesen hätten oder was uns unser oftmals negatives Denken aufzwingt. Früher war ich genauso. Wenn ein Freund immer offline ging, wenn ich online gegangen war, hab ich mir auch gedacht, dass er nichts mehr mit mir zu tun haben will und sogar Szenen daraus gemacht. Dabei war es nur ein Faktisches „Ich muss offline“ weil er lernen musste. Es hatte nichts mit mir zu tun.
Wir müssen aufhören Dinge zu sehen, die nicht da sind. Texte sind keine Magie, die sich einfach mal verändern (Es sei denn, da steht „Bearbeitet am xx.xx.xxxx“ drüber. Aber auch das ist keine Magie, sondern ausschließlich eine Editierfunktion.) Insbesondere bei den Wutbürgern erkennt man schnell, dass sie sich viel interpretieren lassen oder selbst noch zusätzliche Dinge rein interpretieren. Ein Politiker sagt z.B.: „Bei der Tatnacht in Köln waren es Asylbewerber, die Tat X ausgeführt haben. Diese wurde jedoch durch andere Asylbewerber aufgeklärt.“
Faktisch steht dort, dass Asylbewerber C und D geholfen haben A und B zu fassen. Was Wutbürger lesen: „In der Tatnacht in Köln, haben Asylbewerber unbeschreibliche Dinge getan und die Politik tritt nicht auf den Plan.“
Auch hier Frage ich mich wieder … WARUM? Diese Menschen verursachen, durch ihre verblendete Interpretation dafür, dass andere Menschen, welche sich leider weniger mit diesen Thematiken auseinandersetzen, verunsichert sind und im schlimmsten Falle falsche Eindrücke erhalten und daraufhin schwerwiegende Entscheidungen tätigen, welche auf langer Sicht, im leichten Fall, als ein Rückschritt zu bezeichnen sind.
Gerade als die ganzen Wutbürger auf dem Plan getreten sind, hinterfrage ich grundsätzlich jede Meldung, welche in meinen Timelines auftaucht. Ist die Quelle glaubwürdig? Wie viel von dem was da steht, könnte reine Interpretation sein? Wenn ich wirklich unsicher bin, wende ich mich immer an www.mimikama.at . Sie vertreten ein Motto, welches ich nur unterstützen kann. Zuerst denken, dann klicken.
Ich habe nichts dagegen, dass Menschen sich ihre eigene Meinung bilden. Allerdings sollte die Meinungsbildung immer faktisch erfolgen und nicht aufgrund von Fehlinterpretationen oder gar unsachlichen Fakenews.
Ich für meinen Teil werde weiterhin das geschriebene Wort so nehmen, wie es steht. Wenn jemand schreibt, dass er keine Zeit hat, werde ich dies respektieren und nicht anfangen, mir den Kopf zu zermartern, ob die Person nichts mehr von mir wissen will.
Unsere Welt wird durch unsere Interpretationen geformt. Klare und ehrliche Worte werden helfen unsere Welt zu einem besseren Ort werden zu lassen. Und wenn wir alle ein wenig aufhören, die Interpretation für jedes Wort zu verwenden, wird auch unsere eigene, innere Welt ruhiger und wir können anfangen, an uns selbst zu arbeiten und unsere Ausstrahlung zu etwas Anziehbarem zu Formen.
In diesem Sinne:
Interpretationen sorgen für tolle Diskussionen, sind aber ein unheimlich gefährliches Werkzeug was sowohl den Lesern als auch denen, denen er seine Interpretation mitteilt, schaden kann.

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